Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen mit reglementarischen Leistungen
Geltungsbereich und Zweck des vorliegenden Merkblattes
Es erscheint für die praktische Anwendung sinnvoll, zwischen Vorsorgeeinrichtungen mit reglementarischen Leistungen (sog. BVG und FZG-VE) und solchen ohne reglementarische Leistungen (Wohlfahrtsfonds) zu unterscheiden. Dieses Merkblatt gilt für Vorsorgeeinrichtungen, welche reglementarische Leistungen ausrichten. Es zeigt auf, was die betroffenen Vorsorgeeinrichtungen bei der Reglementsanpassung aus der Sicht der kantonalen Aufsichtsbehörde zu beachten haben. Ebenso soll eine einheitliche kantonale Aufsichtspraxis in der ganzen Schweiz gewährleistet werden.
Ausgangslage
Am 1. Januar 2005 traten aufgrund der 1. BVG-Revision die Artikel 53b bis 53d BVG sowie Artikel 27g und 27h [geändert per 1. Juni 2009 und per 1. Januar 2012 (Art. 27g BVV 2)] BVV 2 in Kraft, welche die Teil- und Gesamtliquidationen von Vorsorgeeinrichtungen regeln. Diese gelten sowohl für die obligatorische als auch für die überobligatorische Vorsorge (Art. 49 Abs. 2 Ziff. 11 BVG, Art. 18a Abs. 2 FZG, Art. 89a Abs. 6 Ziff. 9 ZGB). Grundlage für die Teilliquidation bildet die Regelung im Reglement der Vorsorgeeinrichtung. Sie ist so zu gestalten, dass sich die Frage, ob eine Teilliquidation im Einzelfall durchzuführen ist oder nicht (und wenn ja, in welchem Umfang), durch die reglementarischen Bestimmungen beantwortet. Diese Bestimmungen sind von der zuständigen Aufsichtsbehörde vor Durchführung einer Teilliquidation zu genehmigen (Art. 53b BVG).
Es obliegt den Vorsorgeeinrichtungen, ihr Teilliquidationsreglement auf dem aktuellen Stand zu halten. Das Reglement muss bei Änderungen des Gesetzes oder der Verordnung angepasst werden. Ein Anpassungsbedarf kann sich auch aus Änderungen in der Struktur oder Organisation der Vorsorgeeinrichtung oder des Arbeitgebers ergeben.
Auswirkungen
Die Voraussetzungen für den Tatbestand der Teilliquidation gelten vermutungsweise als erfüllt (Art. 53b Abs. 1 BVG), wenn
- eine erhebliche Verminderung der Belegschaft erfolgt,
- eine Unternehmung restrukturiert wird oder
- der Anschlussvertrag aufgelöst wird.
Der Typ der Vorsorgeeinrichtung muss aus dem Reglement klar hervor gehen, damit bestimmt werden kann, ob der Inhalt des Reglements der Organisation der Vorsorgeeinrichtung entspricht (firmeneigene Vorsorgeeinrichtung, Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung, Mischform, etc.). Die Sammeleinrichtungen unterscheiden zwischen den Voraussetzungen der Teilliquidation der angeschlossenen Vorsorgewerke und der Vorsorgeeinrichtung selbst. Die Gemeinschaftseinrichtungen oder gemeinschaftlich geführte Vorsorgewerke können einen Schwellenwert festlegen, ab der eine Teilliquidation zwingend durchzuführen ist. Die Teilliquidation wird grundsätzlich von der Vorsorgeeinrichtung autonom (ohne Mitwirkung der Aufsichtsbehörde) beschlossen und vollzogen. Diese wird dann eingeschaltet, wenn Betroffene (Versicherte, Rentnerinnen und Rentner) an sie gelangen und eine Überprüfung der Voraussetzungen, des Verfahrens oder des Verteilungsplans verlangen (Art. 53d Abs. 6 BVG).
Wird im Rahmen einer Teilliquidation der Vorsorgeeinrichtung Vermögen an eine oder mehrere andere Vorsorgeeinrichtungen für eine Gruppe von Destinatären kollektiv übertragen, ist ein Vermögensübernahmevertrag abzuschliessen. Form, Inhalt und Modalitäten des Vermögensübernahmevertrags richten sich nach dem Fusionsgesetz (Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG), Art. 70 bis 77 in Verbindung mit Art. 98 FusG und Art. 181 Abs. 2 OR) [Eine solche Vermögensübertragung ist nur zulässig, wenn der Vorsorgezweck und die Rechte und Ansprüche der Versicherten gewahrt bleiben (Art.98 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 88 Abs. 2 FusG)].
Wenn ein Vermögensübernahmevertrag nach Fusionsgesetz abgeschlossen wird, muss er im Handelsregister eingetragen werden, damit er rechtswirksam wird. Keine kollektive Vermögensübertragung erfolgt dagegen, wenn einzelne Werte [z.B. die Austrittsleistung mit einem allfälligen Anteil an freien Mitteln] den Versicherten individuell mitgegeben werden. Die Bestimmungen des OR betreffend Singularsukzession bleiben vorbehalten.
Mindestinhalt der Reglementsbestimmungen zur Teilliquidation (Checkliste)
Damit die Vorsorgeeinrichtung die Teilliquidation durchführen kann, muss sie die Voraussetzungen und das Verfahren in ihrem Reglement regeln (Art. 53b BVG), allerdings ohne dabei die in Lehre und Praxis hierzu entwickelten Grundsätze zu verzerren. Dieses Reglement enthält mindestens folgende Punkte:
Sachverhalt und Voraussetzungen
Die im BVG aufgeführten Tatbestände, die zu einer Teilliquidation führen (erhebliche Verminderung der Belegschaft, Restrukturierung der Unternehmung, Auflösung des Anschlussvertrags) sollen im Reglement in Bezug auf die Verhältnisse der angeschlossenen Unternehmung oder der Vorsorgeeinrichtung sinnvoll konkretisiert werden. Beispiele [BGE 9C_434/2009 Entscheid Swatch-Group]:
- Wann gilt eine Verminderung der Belegschaft als erheblich (z.B. 10% der Versicherten)?
[Sammeleinrichtungen und Mischformen zwischen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen haben Regeln aufzustellen sowohl für die Teilliquidation auf Ebene der Vorsorgeeinrichtungen selbst (Auflösung von Anschlussverträgen, Ausscheiden von Vorsorgewerken) als auch auf Ebene der einzelnen Vorsorgewerke (Stellenabbau, Restrukturierung)] - Was gilt als Restrukturierung in der angeschlossenen Unternehmung (z.B. Auslagerung von Betriebsteilen)?
- Was gilt bei der Auflösung des Anschlussvertrages?
Die Aufzählung im Reglement ist abschliessend. Klauseln, die dem Stiftungsrat die Kompetenz erteilen, weitere Tatbestände ausserhalb des Reglements als teilliquidationsrelevant anzuerkennen sind unzulässig.
Stichtag
- Massgeblicher Zeitpunkt oder Zeitrahmen (wenn ein sukzessiver Stellenabbau stattfindet) für die Festlegung des Kreises der Betroffenen.
- Bilanzstichtag, welcher für die Teilliquidation (zur Vermögensbestimmung, kaufmännische Bilanz und Bericht über die Teilliquidation) massgebend ist.
Kollektiver Austritt
Definition der kollektiven Austritte:
- Wann werden die Mittel kollektiv, wann individuell mitgegeben?
- Was ist unter einer Gruppe von Versicherten zu verstehen (konkrete Umschreibung)?
Regelung der kollektiven Mitgabe von Rückstellungen und Schwankungsreserven:
- Schwankungsreserven sind nach Massgabe des anteilmässigen Anspruchs auf das Spar- und Deckungskapital mitzugeben, während die Weitergabe von versicherungstechnischen Reserven von der Übertragung entsprechender Risiken abhängig gemacht wird. In beiden Fällen darf der Beitrag berücksichtigt werden, den das austretende Kollektiv zu deren Bildung geleistet hat.
- Festlegung der Grösse, ab welcher Schwankungen der Aktiven und Passiven zwischen dem Zeitpunkt der Teilliquidation und dem Zeitpunkt der Übertragung der Mittel auszugleichen sind (5% - 10%).
Ermittlung des freien Stiftungskapitals
- Definition der ungebundenen (freien) Mittel.
- Kaufmännische Bilanz nach Swiss GAAP FER 26.
- Versicherungstechnische Bilanz.
- Angaben zur Aufteilung des freien Stiftungsvermögens unter die Verbleibenden (aktiv Versicherte, Rentnerinnen und Rentner) und die Austretenden.
- Versicherungstechnische Rückstellungen richten sich nach den entsprechenden reglementarischen Bestimmungen (Art. 48e BVV 2). Weitergehende Rückstellungen sind zulässig, sofern sie vom anerkannten Experten als direkte Folge der Teilliquidation notwendig bezeichnet werden (z.B. zusätzliche Kosten für vorzeitige Pensionierungen).
- Festlegung der Grösse, ab welcher Schwankungen der Aktiven und Passiven zwischen dem Zeitpunkt der Teilliquidation und dem Zeitpunkt der Übertragung der Mittel auszugleichen sind (5% - 10%).
Anrechnung eines Fehlbetrags
- Vorliegen einer Unterdeckung, wobei der Deckungsgrad nach Art. 44 BVV 2 zu ermitteln ist.
- Grundlage bildet die aktuelle versicherungstechnische Bilanz.
- Garantie, dass die Altersguthaben nach BVG sowie der Mindestbetrag nach FZG in der Höhe des BVG-Altersguthabens (Art. 15 BVG und 18 FZG) in jedem Fall gewahrt sind.
- Kriterien nach denen Fehlbeträge nicht angerechnet werden.
Anwendbare Schlüssel im Verteilungsplan
Objektive Kriterien angeben. Danach ist eindeutig zu definieren, welche Verteilkriterien für welche Destinatärsgruppen gelten. Insbesondere ist dabei der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten.
Informationsprozedere
- Zeitgerechte Information der Versicherten, Rentnerinnen und Rentner über die Teilliquidation (Tatbestand, Verfahren und Verteilungsplan).
- Hinweis auf das Recht, die Voraussetzungen, das Verfahren und den Verteilungsplan bei der zuständigen Aufsichtsbehörde überprüfen und entscheiden zu lassen (Frist angeben, z.B. 30 Tage), sofern eine vorherige Bereinigung mit dem obersten Organ erfolglos geblieben ist. Während dessen behält der Versicherte das Recht, sich direkt an die Aufsichtsbehörde zu wenden.
- Hinweis, dass der Verteilungsplan, sofern keine Einwendungen der Versicherten, Rentnerinnen und Rentner bei der Aufsichtsbehörde vorgebracht werden, rechtswirksam vollzogen wird (vgl. auch Verfahren innerhalb der Vorsorgeeinrichtung).
Vollzug
- Hinweis, dass ein Übertragungsvertrag abgeschlossen wird, wenn eine kollektive Vermögensübertragung an eine andere Vorsorgeeinrichtung erfolgt (vgl. auch Auswirkungen).
- Hinweis auf die Überweisungsart bei individuellem Austritt (gemäss Art. 3 – 5 FZG).
- In beiden Fällen bestätigt die Revisionsstelle (im Rahmen der ordentlichen Jahresberichterstattung) den ordnungsgemässen Vollzug der Teilliquidation. Dieser ist im Anhang zur Jahresrechnung darzustellen.
Verfahren bei der Durchführung einer Teilliquidation
Verfahren innerhalb der Vorsorgeeinrichtung
Grundsätzlich vollzieht die Vorsorgeeinrichtung die beschlossene Teilliquidation auf Grund ihres Reglements autonom (ohne Mitwirkung der Aufsichtsbehörde).
Bei kollektiver Vermögensübertragung wird ein Vermögensübernahme- bzw. -übertragungsvertrag mit der neuen Vorsorgeeinrichtung abgeschlossen (vgl. auch Auswirkungen). Die Versicherten, Rentnerinnen und Rentner sind unverzüglich über die Teilliquidation (Tatbestand, Verfahren und Verteilungsplan) in geeigneter Weise zu informieren (am besten mit persönlichen Schreiben). Die Transparenzbestimmungen (insbesondere die Einsichtrechte) sind zu beachten (Art. 65a BVG).
Primär ist das oberste Organ zuständig für die Entgegennahme von Rückmeldungen der Betroffenen. Es beantwortet Fragen und versucht bei Streitigkeiten eine Einigung herbeizuführen. Gelingt diese nicht, so weist es die Betroffenen auf ihr Recht hin, an die Aufsichtsbehörde zu gelangen. Wie weiter oben ausgeführt, kann sich der Versicherte immer auch direkt an die Aufsichtsbehörde wenden.
Wenn innerhalb der angesetzten Frist keine Beanstandungen von Versicherten, Rentnerinnen und Rentner erfolgen oder diese bereinigt werden konnten, vergewissert sich die Vorsorgeeinrichtung bei der Aufsichtsbehörde, dass bei ihr keine Beanstandungen eingegangen sind. Die Teilliquidation darf erst vollzogen werden, wenn niemand an die Aufsichtsbehörde gelangt ist. Wenn ein Vermögensübernahmevertrag nach Fusionsgesetz abgeschlossen wurde, muss er im Handelsregister eingetragen werden. Er entfaltet seine Rechtswirksamkeit erst am Tage dieser Eintragung.
Über die Teilliquidation muss im Anhang zur Jahresrechnung berichtet werden. Die Revisionsstelle prüft im Rahmen der ordentlichen jährlichen Berichterstattung, ob die Teilliquidation ordnungsgemäss vollzogen wurde.
Verfahren mit der Aufsichtsbehörde
Ersucht ein oder mehrere Versicherte oder Rentnerinnen und Rentner die Aufsichtsbehörde, die Voraussetzungen, das Verfahren und den Verteilungsplan zu überprüfen und zu entscheiden, so muss sich diese mit dem weiteren Verlauf der Teilliquidation von Amtes wegen befassen und in einer Verfügung darüber entscheiden [Botschaft zur 1. BVG-Revision vom 1. März 2000, BBl 2000 Nr. 19, S. 2698]. Die Teilliquidation darf einstweilen nicht vollzogen werden.
Die Aufsichtsbehörde prüft, ob die von ihr im Reglement genehmigte generell abstrakte Regelung bei der Durchführung der Teilliquidation korrekt angewendet worden ist. Dabei wird sie sich bei der Beurteilung des vorliegenden konkreten Tatbestandes auf die bisherige anerkannte Praxis stützen. Das Verfahren richtet sich nach dem jeweiligen anwendbaren kantonalen Recht. Der Entscheid der Aufsichtsbehörde kann beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Art. 74 BVG).
Die Teilliquidation darf erst vollzogen werden, wenn ein rechtskräftiger Entscheid der Aufsichtsbehörde vorliegt. Wird der Entscheid der Aufsichtsbehörde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten, hängt der Vollzug der Teilliquidation davon ab, ob der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt wird (Art. 53d Abs. 6 BVG). Wird keine aufschiebende Wirkung erteilt, so darf die Teilliquidation sofort vollzogen werden.