Aufhebungsverfahren mit Liquidation von Vorsorgeeinrichtungen
Vorbemerkungen zum Ablauf
Das ZGB [Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210)] enthält keine spezifisch stiftungsrechtlichen Liquidationsbestimmungen. Neben Artikel 53c und 53d BVG [Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40)] kommt daher Artikel 58 ZGB zur Anwendung. Diese Bestimmung verweist auf Artikel 913 OR (Genossenschaft), welcher auf Artikel 739 ff. OR (Aktiengesellschaft) weiterverweist [Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR, SR 220)].
Demnach erfolgt die Aufhebung mit Liquidation von Vorsorgeeinrichtungen in Form einer Stiftung in 2 Schritten:
In einem ersten Schritt wird die Vorsorgeeinrichtung aufgehoben und das Vermögen verteilt und/oder übertragen. In einem zweiten Schritt wird die Vorsorgeeinrichtung aus dem Handelsregister gelöscht und bei einer registrierten Vorsorgeeinrichtung gleichzeitig aus dem Register für die berufliche Vorsorge gestrichen (vgl. Artikel 4 BVV 1 [Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge (BVV 1, SR 831.435.1)]).
Erster Schritt: Aufhebung
Die Vorsorgeeinrichtung, handelnd durch das oberste Organ, beschliesst die Aufhebung, wählt die Liquidatoren (den letzten Stiftungsrat) und stellt bei der Aufsichtsbehörde den Aufhebungsantrag.
Der Aufhebungsantrag muss enthalten:
- Eine kurze Begründung.
- Name, Vorname, Adresse und Heimatort aller Liquidatoren.
Dem Aufhebungsantrag ist beizulegen:
Das vollständige und rechtsgültig unterzeichnete Protokoll zum Aufhebungsbeschluss des obersten Organs im Original (vgl. Art. 88 Abs. 1 ZGB und Art. 17 Abs. 2 lit. f ASVV [Verordnung vom 21. Oktober 2009 über die Aufsicht über die Stiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen (ASVV, BSG 212.223.1)]).
Erste Verfügung der Aufsichtsbehörde
Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, erlässt die Aufsichtsbehörde die 1. Verfügung. Sie genehmigt damit den Aufhebungsantrag, bestätigt die Liquidatoren, fordert die Vorsorgeeinrichtung zur Information und zum Schuldenruf auf (vgl. auch Informationspflicht) und weist das Handelsregisteramt zur Vornahme der erforderlichen Eintragungen im Handelsregister an (Liquidatoren und Zusatz «in Liquidation»).
Die Verfügung wird dem Handelsregisteramt erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von 30 Tagen zugestellt (vgl. Art. 88 Abs. 1 ZGB, Art. 53c und Art. 53d BVG, Art. 17 Abs. 2 lit. f ASVV, Art. 742 Abs. 2 OR, Art. 97 Abs. 1 lit. e HRegV [Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV, SR 221.411)]).
Informationspflicht der Vorsorgeeinrichtung
Aufgrund der Verfügung muss die Vorsorgeeinrichtung, ab Handelsregistereintrag handelnd durch die Liquidatoren, die bekannten Gläubiger durch besondere Mitteilung über die Aufhebung informieren und sie zur Eingabe ihrer Forderungen auffordern, unbekannte Gläubiger und Destinatäre beziehungsweise Gläubiger und Destinatäre mit unbekanntem Wohnort mit Schuldenruf im SHAB (Text: vgl. Publikation) über die Aufhebung informieren und sie zur Eingabe ihrer Forderungen auffordern sowie dieselbe Information gegebenenfalls in der von den Statuten vorgesehenen Form veröffentlichen.
Im Falle einer Vermögensverteilung werden die bekannten Destinatäre nach aufsichtsbehördlicher Vorprüfung des Verteilungsplans individuell informiert (vgl. auch Destinatäre) (vgl. Art. 742 Abs. 2 OR und Art. 53d Abs. 5 BVG).
Verteilungsplan
Nachdem die Revisionsstelle bestätigt hat, dass die Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Interessen Dritter gefährdet werden (frühestens nach 3 Monaten seit der SHAB-Publikation), erstellt die Vorsorgeeinrichtung den Verteilungsplan. Dieser kann der Aufsichtsbehörde als Entwurf zur Stellungnahme eingereicht werden (vgl. Art. 745 Abs. 1 und 3 OR und Art. 53d Abs. 4 lit. d BVG).
Aufhebung ohne Verteilung: Wird das Vermögen nicht verteilt, entfällt die Erstellung eines Verteilungsplans.
Vermögensübertragung nach OR oder FusG [Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG, SR 221.301)]: Für die Übertragung des Vermögens erstellt die Vorsorgeeinrichtung einen Übertragungsvertrag nach Artikel 181 OR oder einen Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz.
Wird ein Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz erstellt, sind die Gläubiger- und Arbeitnehmerschutzbestimmungen nach FusG einzuhalten.
Zur Vorprüfung sind der Aufsichtsbehörde einzureichen:
- Der Verteilungsplan im Original und durch die Liquidatoren rechtsgültig unterzeichnet (soweit zutreffend).
- Das vollständige Beschlussprotokoll über die Verteilung der Mittel sowie zum (Vermögens-) Übertragungsvertrag im Original und rechtsgültig unterzeichnet (soweit zutreffend).
- Den (Vermögens-) Übertragungsvertrag im Original und rechtsgültig unterzeichnet.
- Den Bericht der Expertin/des Experten für berufliche Vorsorge betr. Überführung in die neue Vorsorgeeinrichtung (soweit erforderlich).
- Die Bestätigung der Revisionsstelle im Original (vgl. Art. 16 Abs. 2 ASVV).
Destinatäre
Sobald der gemäss Vorprüfung bereinigte Verteilungsplan und/oder der (Vermögens-) Übertragungsvertrag vorliegen, informiert die Vorsorgeeinrichtung die bekannten Destinatäre mit Brief über die Aufhebung.
Wird Vermögen verteilt, weist die Vorsorgeeinrichtung zudem darauf hin, dass der Verteilungsplan an ihrem Sitz eingesehen werden kann und dass Eingaben gegen die Voraussetzungen, das Verfahren sowie den Verteilungsplan innert 30 Tagen bei ihr anzumelden sind. Eine Kopie des Informationsschreibens ist der Aufsichtsbehörde zuzustellen (vgl. Art. 742 Abs. 2 OR und Art. 53d Abs. 5 und 6 BVG).
Nach Erhalt dieses Informationsschreibens publiziert die Aufsichtsbehörde die beantragte Aufhebung, die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Verteilungsplan am Sitz der Vorsorgeeinrichtung und das Eingaberecht im Amtsblatt sowie im jeweiligen amtlichen Anzeiger (vgl. Art. 17 Abs. 2 lit. g ASVV).
Die Vorsorgeeinrichtung informiert die Aufsichtsbehörde, sofern nach Ablauf der 30-tägigen Frist keine Eingaben von Destinatären erfolgt sind. Falls Eingaben von Destinatären erfolgt sind, ist die Aufsichtsbehörde erst zu informieren, sobald diese bereinigt wurden. Der entsprechende Nachweis ist beizulegen. Sofern der Verteilungsplan aufgrund der Eingaben abgeändert werden musste, sind zudem der neue Verteilungsplan zusammen mit dem entsprechenden Beschlussprotokoll (je im Original und rechtsgültig unterzeichnet) einzureichen. Aufhebung ohne Verteilung: Dieser Schritt entfällt, wenn das Vermögen nicht verteilt, sondern global/unverteilt auf eine andere Vorsorgeeinrichtung übertragen wird.
Zweite Verfügung der Aufsichtsbehörde
Nach Erhalt der vorgenannten Dokumente erlässt die Aufsichtsbehörde die 2. Verfügung. Sie genehmigt den definitiven Verteilungsplan, prüft den (Vermögens-) Übertragungsvertrag und weist die Vorsorgeeinrichtung an, die Schlussrechnung, den Revisionsstellenbericht und bei registrierten Vorsorgeeinrichtungen den Schlussbericht für die Streichung im Register für die berufliche Vorsorge innert 4 Monaten zur Prüfung und Genehmigung einzureichen
Vermögensübertragung nach OR oder FusG: Liegt ein Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz vor, wird die Vorsorgeeinrichtung zusätzlich angewiesen, den Vertrag beim Handelsregister anzumelden (vgl. Art. 53c BVG, Art. 17 Abs. 2 lit. i ASVV, Art. 83c ZGB, Art. 138 i.V.m. 144 Abs. 1 HRegV).
Die Mittel können verteilt und/oder übertragen werden, sobald der von der Aufsichtsbehörde genehmigte Verteilungsplan und/oder der geprüfte (Vermögens-) Übertragungsvertrag rechtswirksam ist. Der Verteilungsplan gilt dabei grundsätzlich mit unbenutztem Ablauf der 30-tägigen Rechtsmittelfrist in der Genehmigungsverfügung als rechtswirksam.
Vermögensübertragung nach OR oder FusG: Der Übertragungsvertrag nach OR ist mit Abschluss rechtswirksam.
Der Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz dagegen wird erst mit dem entsprechenden Eintrag ins Handelsregister rechtswirksam (vgl. Art. 53c BVG).
Zweiter Schritt: Löschung der Vorsorgeeinrichtung
Die Vorsorgeeinrichtung und die Revisionsstelle bestätigen der Aufsichtsbehörde den Vollzug der Aufhebung und reichen die Schlussrechnung, den Revisionsstellenbericht und bei registrierten Vorsorgeeinrichtung zusätzlich den Schlussbericht für die Streichung im Register für die berufliche Vorsorge zur Prüfung und Genehmigung ein (vgl. Art. 83c ZGB und Art. 53c BVG).
Die Aufsichtsbehörde teilt der Kantonalen Steuerverwaltung (Bern oder Freiburg) die Aufhebung und die vorgesehene Löschung mit. Sobald die Zustimmung der Steuerverwaltung zur Löschung vorliegt, erlässt die Aufsichtsbehörde die 3. Verfügung.
Dritte Verfügung der Aufsichtsbehörde
Sie stellt die Vermögenslosigkeit fest. Bei Vermögensübertragungen nach Fusionsgesetz erfolgt der Hinweis, dass die Vermögensübertragung im Handelsregister eingetragen und damit rechtswirksam ist, sie nimmt Kenntnis von der geprüften Schlussrechnung, genehmigt bei registrierten Vorsorgeeinrichtungen den Schlussbericht, streicht die registrierte Vorsorgeeinrichtung aus dem kantonalen Register für die berufliche Vorsorge und weist das Handelsregisteramt zur Löschung der Vorsorgeeinrichtung aus dem Handelsregister an.
Die Verfügung wird dem Handelsregisteramt erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von 30 Tagen zugestellt (vgl. Art. 53c BVG, Art. 17 Abs. 2 lit. k ASVV, Art. 89 Abs. 2 ZGB, Art. 97 Abs. 1 lit. f HRegV).
Gebühren
Die Kosten für das Aufhebungsverfahren richten sich nach dem Gebührenreglement vom 20. August 2014 der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (GebR BBSA). Für die Aufhebung einer Vorsorgeeinrichtung bewegt sich der Gebührenrahmen zwischen CHF 900.00 und CHF 30‘000.00. Beim Erlass der ersten Verfügung teilt die BBSA der Vorsorgeeinrichtung die voraussichtlich anfallenden Gebühren mit. Zudem werden allfällige Dienstleistungen Dritter (z.B. von der BBSA veranlasste Publikationen im Amtsanzeiger und Kantonalen Amtsblatt) der Vorsorgeeinrichtung weiterverrechnet.
Publikation
Text zur Publikation im SHAB:
«Die Gläubiger und die Destinatäre der aufgelösten Stiftung werden aufgefordert, ihre Ansprüche anzumelden.»
Auftragserteilung:
Im Internet: shab.ch, Registrierung über amtsblattportal.ch und Eingabe der erforderlichen Daten.
Mit Brief: Redaktion und Verlag amtliche Publikation SHAB, Postfach 8164, 3001 Bern, Angabe der erforderlichen Informationen im Brief.