Aufhebungsverfahren mit Liquidation einer klassischen Stiftung
Vorbemerkungen zum Ablauf
Eine Stiftung ist eine Anstalt, es handelt sich um ein Zweckvermögen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Aus dem anstaltlichen Charakter der Stiftung ergibt sich der Grundsatz des Fehlens eines Rechtes zur Aufhebung der Stiftung. Eine Aufhebung einer Stiftung erfolgt daher nur nach Massgabe der Artikel 88 und 89 ZGB.
[Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210)]
Das ZGB enthält keine spezifisch stiftungsrechtlichen Liquidationsbestimmungen. Es kommt daher Artikel 58 ZGB zur Anwendung. Diese Bestimmung verweist auf Artikel 913 OR* (Genossenschaft), welcher auf Artikel 739 ff. OR (Aktiengesellschaft) weiterverweist.
[*Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR, SR 220)]
Demnach erfolgt die Aufhebung mit Liquidation einer Stiftung in 2 Schritten:
In einem ersten Schritt wird die Stiftung aufgehoben und das Vermögen übertragen und/oder verteilt. In einem zweiten Schritt wird die Stiftung aus dem Handelsregister gelöscht.
Erster Schritt: Aufhebung
Die Stiftung, handelnd durch das oberste Stiftungsorgan, beschliesst die Aufhebung der Stiftung, wählt die Liquidatoren und stellt bei der Aufsichtsbehörde den Aufhebungsantrag.
Der Aufhebungsantrag muss enthalten:
- Eine stiftungsrechtliche Begründung zur Zulässigkeit der Aufhebung gemäss Artikel 88 ZGB
- Name, Vorname, Adresse und Heimatort aller Liquidatoren.
[Verordnung vom 21. Oktober 2009 über die Aufsicht über die Stiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen (ASVV, BSG 212.223.1)]
Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, beantragt die Aufsichtsbehörde bei der Umwandlungsbehörde den Erlass der ersten Verfügung. Damit werden der Aufhebungsantrag genehmigt und die gewählten Liquidatoren bestätigt. Zudem wird die Stiftung zur Information und zum Schuldenruf aufgefordert und das Handelsregisteramt um Vornahme der erforderlichen Eintragungen im Handelsregister ersucht (Liquidatoren und Namenszusatz «... in Liquidation»).
Die Verfügung wird der Stiftung eröffnet und dem Handelsregisteramt nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von 30 Tagen zugestellt (vgl. Art. 88 Abs. 1 ZGB, Art. 13 Bst. a ASVV, Art. 742 Abs. 2 OR, Art. 97 Abs. 1 Bst. e HRegV).
[Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV, SR 221.411)]
Informationspflicht der Stiftung
Aufgrund der Verfügung muss die Stiftung, ab Handelsregistereintrag handelnd durch die Liquidatoren, die bekannten Gläubiger durch besondere Mitteilung über die Aufhebung informieren und zur Anmeldung ihrer Ansprüche auffordern, unbekannte Gläubiger beziehungsweise Gläubiger mit unbekanntem Wohnort mit Schuldenruf im SHAB über die Aufhebung informieren und sie zur Anmeldung ihrer Ansprüche auffordern (siehe unter Auftragserteilung). Gegebenenfalls muss sie dieselbe Information in der von der Stiftungsurkunde vorgesehenen Form veröffentlichen.
Die Übertragung und/oder Verteilung des Vermögens darf frühestens nach Ablauf eines Jahres seit der SHAB-Publikation vollzogen werden.
Die Übertragung und/oder Verteilung des Vermögens darf jedoch bereits nach Ablauf von 3 Monaten seit der SHAB-Publikation erfolgen, wenn ein zugelassener Revisionsexperte bestätigt, dass die Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Interessen Dritter gefährdet werden.
Nach Ablauf der entsprechenden Frist erstellt die Stiftung den (Vermögens-) Übertragungsvertrag. Dieser kann der Aufsichtsbehörde als Entwurf zur Vorprüfung eingereicht werden. Ein entsprechendes Muster finden Sie im Downloadbereich. (vgl. Art. 745 OR).
Vermögensübertragung nach OR oder FusG
[Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG, SR 221.301)]
Für die Übertragung des Vermögens erstellt die Stiftung einen Übertragungsvertrag nach Artikel 181 OR oder einen Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz. Wird ein Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz erstellt, sind die Gläubiger- und Arbeitnehmerschutzbestimmungen nach FusG einzuhalten.
Zur (Vor-)Prüfung sind der Aufsichtsbehörde einzureichen:
- Das vollständige Beschlussprotokoll zum (Vermögens-) Übertragungsvertrag im Original und rechtsgültig unterzeichnet.
- Der (Vermögens-) Übertragungsvertrag im Original und rechtsgültig unterzeichnet.
- Die Bestätigung des zugelassenen Revisionsexperten im Original (soweit zutreffend).
Nach Erhalt der notwendigen Dokumente erlässt die Aufsichtsbehörde einen Prüfbericht. Sie prüft/genehmigt den (Vermögens-) Übertragungsvertrag und weist die Stiftung an, die Schlussrechnung und den Revisionsbericht innert 4 Monaten zur Prüfung einzureichen.
Liegt ein Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz vor, wird die Aufsichtsbehörde den Vertrag mittels Verfügung genehmigen. Die Verfügung wird dem Handelsregisteramt nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von 30 Tagen zur Eintragung angemeldet (vgl. Art. 83c ZGB, Art. 87 Abs. 3 FusG, Art. 141 HRegV). Das Vermögen kann übertragen und/oder verteilt werden, sobald der von der Aufsichtsbehörde geprüfte/genehmigte (Vermögens-) Übertragungsvertrag rechtswirksam ist. Das heisst, der Übertragungsvertrag nach OR ist mit Abschluss rechtswirksam, der Vermögensübertragungsvertrag nach Fusionsgesetz dagegen wird erst mit dem entsprechenden Eintrag ins Handelsregister rechtswirksam (vgl. Art. 87 Abs. 4 i.V.m. Art. 73 Abs. 2 FusG).
Zweiter Schritt: Löschung der Stiftung
Innert 4 Monaten nach Erhalt des Prüfberichts bestätigen die Stiftung und die Revisionsstelle der Aufsichtsbehörde den Vollzug der Aufhebung und reichen ihr die Schlussrechnung und den Revisionsbericht zur Prüfung ein (vgl. Art. 83c ZGB).
Die Aufsichtsbehörde beantragt bei der Umwandlungsbehörde den Erlass der zweiten Verfügung. Damit werden die geprüfte Schlussrechnung zur Kenntnis genommen, die Vermögenslosigkeit festgestellt (bei Vermögensübertragungen nach Fusionsgesetz erfolgt zudem der Hinweis, dass die Vermögensübertragung im Handelsregister eingetragen und damit rechtswirksam ist), der Abschluss der Liquidation mit Begleichung sämtlicher allenfalls bestehenden Steuerschulden festgestellt, die kantonale Steuerverwaltung um Zustimmung zur Löschung gebeten und, sobald die kantonale Steuerverwaltung der Löschung zugestimmt hat und die Verfügung rechtskräftig ist, das Handelsregisteramt um Löschung der Stiftung aus dem Handelsregister ersucht.
Die Verfügung wird der Stiftung eröffnet und der kantonalen Steuerverwaltung zugestellt mit der Bitte um Zustimmung zur Löschung. Die kantonale Steuerverwaltung beendet eine allenfalls bestehende Steuerpflicht per Datum der zweiten Verfügung, führt das Veranlagungsverfahren durch und stimmt der Löschung zu, sobald alle Steuern bezahlt sind.
Nach Erhalt der Zustimmung der kantonalen Steuerverwaltung, frühestens aber nach Ablauf der 30-tägigen Rechtsmittelfrist, wird die Verfügung dem Handelsregisteramt unter Beilage der Zustimmungserklärung der kantonalen Steuerverwaltung zugestellt. Das Handelsregisteramt wird ersucht, die Stiftung im Handelsregister zu löschen und die Publikation im SHAB in die Wege zu leiten (vgl. Art. 13 Bst. c ASVV, Art. 89 Abs. 2 ZGB, Art. 97 Abs. 1 Bst. f HRegV).
Die Kosten für das Aufhebungsverfahren richten sich nach dem Gebührenreglement der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht*. Für die Aufhebung einer Stiftung bewegt sich der Gebührenrahmen zwischen CHF 1'000.00 und CHF 5'000.00. Vorbehalten bleiben die Gebühren des Handelsregisteramts sowie für den Schuldenruf im SHAB.
[*Gebührenreglement vom 20. August 2014 der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (GebR BBSA, BSG 212.223.3)]
Auftragserteilung
Im Internet: shab.ch, Registrierung über amtsblattportal.ch und Eingabe der erforderlichen Daten.
Mit Brief: Redaktion und Verlag amtliche Publikation SHAB, Postfach 8164, 3001 Bern, Angabe der erforderlichen Informationen im Brief.